Meditation ist nicht für alle und alles gut. Eine Wissenschafterin und Yogalehrerin beschreibt, warum vor allem suchende Menschen davon profitieren.
Karin Matko glaubt nichts, nur weil es ein Guru sagt. Daher untersucht sie als Wissenschafterin unterschiedliche Arten der Meditation. Ein SN-Gespräch über erwünschte und unerwünschte Wirkungen des In-sich-Gehens.
Ist Meditation eher für gesunde oder kranke Menschen hilfreich? Karin Matko: Meditation war ursprünglich eher für Gesunde gedacht, als Teil eines größeren Pfades zur Erleuchtung. Das Ziel war und ist dabei, sich selbst zu transzendieren oder Gott zu erfahren. Das findet man in jeder Religion, nicht nur im Buddhismus.
Heutzutage gibt es aber auch meditative Techniken für Patienten. Bekannt ist die "Mindfulness-Based Stress Reduction" (MBSR, dt. Stressbewältigung durch Achtsamkeit) von Jon Kabat-Zinn. Mit MBSR ist das Interesse an Achtsamkeitsmeditation explodiert. Ihre Wirkung bei psychischen Erkrankungen wird intensiv erforscht, Besonders gut wirkt MBSR und vor allem deren Weiterentwicklung "Mindfulness-Based Cognitive Therapy" bei Depressionen. Dabei gibt es auch Verschränkungen mit Yoga, indem die Meditation durch achtsame Körperübungen ergänzt wird.
Hängen demnach Meditation und Yoga eng zusammen? Die Kombination von Meditation und Yoga macht MBSR besonders effektiv. Yoga an sich wirkt sehr gut bei Rückenbeschwerden, Schmerzerkrankungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ich selbst erlebe Yoga als total mächtig. Aber ich bin ein sehr rationaler Mensch. Ich glaube nicht alles, was ein Guru erzählt. Ich möchte das selbst wissenschaftlich testen und verstehen. Daher fing ich nach meinem Studium an, Yoga und Meditation wissenschaftlich zu erforschen.
Wie wirkt Meditation allein, auch im Vergleich mit konventionellen Therapien z. B. bei Depression? Meditation hat keine wesentlich bessere, aber eine ähnlich gute Wirkung wie etablierte Therapien. In jedem Fall ist die Wirkung von Meditation besser, als wenn man sich z. B. nur mit einem Buch zurückzieht oder Musik hört, um sich zu entspannen.
Meditation scheint besonders gut jenen Menschen zu helfen, die nach etwas suchen, die sagen, ich bin emotional instabil, ich bin gestresst, ich habe eine Erkrankung. Sie haben eine gute Motivation und in ihrer persönlichen Entwicklung sozusagen Luft nach oben. Dagegen verändert sich bei Menschen, die mit ihrem Leben zufrieden sind, weniger, wenn sie meditieren. Obwohl auch Gesunde sehr profitieren, da sich z. B. ihre Körperwahrnehmung und Emotionsregulation durch Meditation verbessern.
Gibt es für bestimmte Menschen bevorzugte Meditationstechniken? Die Mantra-Meditation hat im Gehirn mit Spracherzeugung und Sprachverarbeitung zu tun, die Mitgefühlsmeditation mit Körperwahrnehmung und Empathie. Mantra-Meditation wird daher von depressiven Menschen besonders gut angenommen, weil die vielfache Wiederholung eines Mantras von der Fixierung auf das Negative ablenkt. Das Gehirn kreist dann nicht ständig um dieselben depressiven Gedanken, sondern es ist mit etwas anderem beschäftigt, es hat einen anderen Fokus, auf den sich der Geist konzentriert.
Wie weit hängen einzelne Meditationstechniken mit der Persönlichkeitsstruktur zusammen? Jemand, der sehr kritisch sich selbst und anderen gegenüber ist, sollte sich mit Meditationsformen des Mitgefühls und der liebenden Güte beschäftigen, um das, was ihm fehlt, in der Meditation zu entwickeln. Dagegen sollten Menschen, die eher unkonzentriert sind, etwas Fokussierendes machen wie Mantra-Meditation, weil das die Konzentrationsfähigkeit schult. Das sind die Empfehlungen der traditionellen Meditationsliteratur. Jetzt erforschen wir, wieweit das wissenschaftlich hält.
Wie kann jemand für sich die richtige Meditationstechnik finden? Eine erste Frage ist, ob ich ein spiritueller oder säkularer Mensch bin. Die nächste Frage ist, ob jemand sich nur entspannen oder sich in irgendeine Richtung verändern will. Die dritte Frage ist, mache ich etwas, was mir liegt: Ich bin ein strenger Typ und mache etwas Strenges. Oder tue ich etwas für meine Entwicklung: Ich bin ein chaotischer Typ und mache alternativ etwas Strenges.
Allgemein empfehle ich, nicht allein zu meditieren, sondern einen Kurs zu besuchen. Es ist auch nicht alles ein für alle Mal festgelegt. Viele probieren eine Meditationsmethode und wenden sich später einer anderen zu. Was jetzt passt, ist in zwei Jahren vielleicht nicht mehr das Richtige.
Braucht es einen geistigen Hintergrund oder ist das belanglos? MBSR ist heute die klassische säkulare Methode, die sich größtenteils vom Buddhismus gelöst hat und ohne spirituellen Hintergrund nachvollziehbar ist. Auch in unserer Forschung arbeiten wir oft säkular, allenfalls mit Lebensweisheiten, die mit einer Meditationstechnik verbunden sind. Das ist nicht immer leicht, weil wir sehen, dass ein philosophischer oder spiritueller Hintergrund hilfreich sein kann. Wenn wir den Leuten z. B. erklären, welche Ethik hinter einer Methode steckt, was sie darüber sagt, wie ich mit mir selbst und mit anderen umgehen soll, steigert das die Effektivität. Die Menschen können das dann besser in ihr Weltbild einordnen.
Nur für Entspannung ist Meditation nicht die erste Empfehlung, weil sie auch anstrengend sein kann. Bis hin zu unerwarteten Erfahrungen: Jemand fühlt sich plötzlich traurig oder wütend, oder es tauchen alte, traumatische Bilder auf. Auch deshalb ist es hilfreich, einen guten Lehrer, eine gute Lehrerin zu haben, die solche Erfahrungen in ein Gesamtbild der Person einordnen.
Achtung, meditieren kann Sie aus der Bahn werfen? So ist es. Es gibt einen ganzen Forschungszweig über unerwünschte Wirkungen von Meditation. Solche treten aber meist nur auf, wenn jemand stundenlang meditiert. Dann kann es zu Gefühlsausbrüchen, Erinnerungen an Traumata oder im schlimmsten Fall Psychosen kommen. Oder Leute fragen sich, ob das normale Leben überhaupt noch einen Sinn hat oder ob es nur mehr um Meditation geht. Dagegen haben Gefühle der Entgrenzung meist positive Wirkungen: Ich bin mit allen Menschen und mit der Natur verbunden. Ich fühle Energieströme. Das kann sehr schön sein.
Karin Matko promovierte 2021 "summa cum laude" an der TU Chemnitz. Als positive Psychologin untersucht sie Ansätze aus der Mind-Body-Medizin wie Meditation, Achtsamkeit und Yoga. Sie erforscht, welche Methode für wen am besten geeignet ist.
Author: Luis Martinez
Last Updated: 1703494081
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